Sagen und Geschichten um die Glocken
1. Sagen
Die zersprungene Kaiserglocke im Kloster Kastl
Als Dank für seinen Sieg über seinen Gegner Friedrich den Schönen
von Österreich bei Mühldorf und Ampfing stiftetet Kaiser Ludwig der Bayer in der
Klosterkirche in Kastl eine große Glocke. Wenn sie geläutet wurde, hörte man den Klang
das ganze Lauterachtal und hinüber weit über die Berge des Birglandes um Sulzbach. Sie
sollte aber nur dem Frieden läuten und den Frieden künden, so weit man sie hören
konnte.
Das Jahr 1914 kam, der Erste Weltkrieg brach aus. Voll Begeisterung
zogen die Soldaten in den Krieg. Sogar die Kirchenglocken sollten zum Beginn des Krieges
erklingen. Als man jedoch die Kastler Kaiserglocke 1914 beim Ausbruch des Ersten
Weltkrieges läutete, zersprang sie. Von da an wimmerte und weinte die 600 Jahre alte
Glocke, und die Leute erkannten, daß der Friede in der Welt zu Ende war.
Die Herkunft der Glocke
Nach dem Volksglauben erzählt die Glocke selbst durch ihren dumpfen
Klang ihre Herkunft:
" 1 bin von Berngau
Aus'gwühlt von ara altn Sau."
(Diese Sage findet sich von der Glocke von Berngau - Landkreis Neumarkt
i.0. - bei Schöppner, Sagenbuch 111: 157). Die Leute in unserer Gegend erzählen es aber
ausdrücklich von der Kastler Glocke. Vielleicht ist an eine Verschmelzung von zwei Sagen
zu denken.
Die genagelte Kaiserglocke
Die Kaiserglocke hatte nach ihrer Fertigstellung einen ungewöhnlich
guten und harmonischen Klang. Bis weit über die Grenzen des Marktes Kastl hinaus konnte
man sie hören. Ja sogar bis "ins Böhm" soll sie zu hören gewesen sein. Das
bedeutete im Kriegsfall eine besondere Gefahr für die Oberpfalz und Kastl. Deshalb hat
man später einen Hufnagel in die Glocke geschlagen, "damit nicht durch den Klang
dieser Glocke der Feind aufmerksam werde und einen Einfall in die Oberpfalz
unternehme."
2. Geschichten
Das "Sturmaraleitn"
Um den Sturmara zum Schwingen zu bringen, brauchte man zwei starke
Seile, die abwechselnd gezogen wurden. Uns Ministranten fiel es besonders schwer, die
riesige Glocke Oberhaupt zu bewegen und die nötige Harmonie beim Anziehen zu erreichen.
Während zwei zogen, mußten die beiden anderen das Seil frei hochgleiten lassen. Wenn er
dann einmal in Schwung war, bedurfte es nur noch geringer Kraft, ihn in Bewegung zu
hatten. Schwieriger war es, ihn zu stoppen. Zwei Ministranten zog er leicht mit in die
Höhe. Manch besonders Schlauer sprang von der Treppe aus an das hochgehende Seil, um sich
noch höher tragen zu lassen.
Der G.A., ein ebenfalls sehr ehrgeiziger und wagemutiger Ministrant,
sprang von dem höher gelegenen Treppenabschnitt an das nach oben gleitende Seil, bekam es
zu fassen und wurde nach oben gerissen. - Aber fast zu hoch. - Er krachte ziemlich unsanft
mit dem Kopf gegen das Deckengewölbe, glitt am Seil herab und blieb reglos liegen.
Hilflos standen die anderen Ministranten herum. Schließlich mußte man notgedrungen den
gefürchteten Mesner holen. Er hatte immer eine Lösung bereit - auch dieses Mal. Ein
voller Weihwasserkessel, der eigentlich für die Segnung der Gläubigen vor dem Hochamt
gedacht war, rief den Bewußtlosen wieder ins Reich der Ministranten zurück. Heftige
Worte des Mesners folgten und eine letzte Aufforderung, doch endlich den Sturmara zu
stoppen. Dann war alles vergessen, außer der Beule am Kopf von G.A.
Die Petersglocke
Sie hatte ihre besonderen Tücken. Bei ihr durfte man das Seil nicht
ganz hochgleiten lassen, da sonst der Anschlag des Klöppels nur einseitig erfolgte. Man
mußte also ein volles Durchschwingen verhindern und sie vorher etwas abbremsen. Es
bedurfte schon eines besonderen Geschickes, sie gut zu läuten. Den Ministranten gelang
dies nur selten. Natürlich wußte der Mesner Joseph Zimmermann genau, ob ein
"Meister am Werk" war oder nicht. Sein kurzes, knappes Urteil lautete dann:
"Wos habts denn heit wieda fir a Gsoach zammglittn!"
Der "hochgelegene Beobachter"
Früher war es üblich, bei den Evangelien an Fronleichnam bei den
einzelnen Altären den "Sturmara" zu läuten. Auch beim Flurumgang, der in
Richtung Hochhaus und altem Wolfsfelder Weg führte, wurden
die Evangelien von Glockengeläute begleitet. Woher sollten aber die
Ministranten im Glockenhaus wissen, wann es Zeit war zu läuten. Nur ein
"hochgelegener Beobachter' konnte das durch kurzes Seilziehen mitteilen. Dieser
Posten lag jedoch in der Glockenstube selbst. Dort bekam er durch Helfer im Ort oder am
Hochholz Zeichen. Sich aber gegen den gewaltigen Klang der Glocken zu schützen war kaum
möglich. Für ein paar Stunden hörte er dann nur noch Rauschen und Dröhnen im Ohr. Aber
das verging wieder.
Quellen:
BRUNNER, 1.: Das Merkwürdigste von der Herrschaft, dem Gotteshause und
Kloster Kasti im Regenkreise Bayerns.
Kunstdenkmäler Bayerns - Band Neumarkt
Unterlagen aus dem Pfarrarchiv
Kirchenführer Eichstätter Dom, Dom zu Fulda
Eigene Aufzeichnungen aus Gesprächen mit vielen Kastier Borgern
Anschrift des Verfassers:
Hermann Römer, Berghäuserweg 13, 92280 Kastl