Schreiben an den Staatssekretär     5. Juni 1997

 


Heinz Lang                                                         Kastl, den 5. Juni 1997

Kreisrat, Fraktionsschriftführer
3. Bürgermeister in Kastl
Utzenhofener Str. 1

Tel.: 09625/91222 Fax: 91221
e-mail: Heinz.Lang@Kastl.de

Herrn
Staatssekretär
MdB Rudolf Kraus

 

Europäisches Gymnasium mit Schwerpunkt Ungarisch - Begegnungsschule

 

Sehr geehrter Herr Staatssekretär,

lieber Rudolf,

nach Sichtung verschiedenster Schulmodelle von Costa Rica bis Taiwan und intensiven Gesprächen mit dem Schulleiter und Lehrern sind wir nun auch in Europa auf verschiedene, offensichtlich gut funktionierende internationale Schulmodelle und Projekte gestoßen. Vorerst erwähnenswert sind zwei deutsche Projekte, die aus EU-Mitteln gefördert werden und zweisprachig als "Begegnungsschule" firmieren, In Guben, Lausitz (Partner ist Polen) und Pirna, Sachsen (Partner ist Tschechien). Guben hat eine Gesamtschule und trifft damit vielleicht weniger den bayerischen Geschmack, wobei die Anliegen unserem Thema sicher identisch wären. In Pirna wird zur Zeit neben der Schule eine Internat neu gebaut, 100% EU-Mittel. Unser Gymnasium ist heute schon "Europäisches Gymnasium". Nachdem Tschechien mit Sachsen zusammenarbeitet, drängt sich der ungarisch-bayerische Gedanke geradezu auf. Der Markt Kastl unterhält außerdem eine partnerschaftliche Beziehung zu Szany bei Györ/ Ungarn.

 

Nach unseren vorläufigen Überlegungen könnte Ziel der Schule in Kastl sein, dass die erworbene Hochschulreife zum Studium an ungarischen und deutschen Hochschulen berechtigt. Darüber hinaus könnte die internationale Hochschulreife (international Baccaleraute) angestrebt werden.

Konkret: Der Unterricht erfolgt nach zweijähriger Einführungsphase in 5/6 ab der 7. Jahrgangsstufe teilweise muttersprachlich, teilweise bilingual und teilweise in der ersten bzw. weiteren Fremdsprache. Deutsch könnte 1. Fremdsprache für die Ungarn, Ungarisch - nach Englisch - eine weitere Fremdsprache für Deutsche sein. In die Fächer Geschichte und Geographie fließen schwerpunktmäßig die Inhalte der jeweiligen anderen Nation ein. Musik, Kunst, Sport erfolgt stets national gemischt.

Da die Schüler heute schon auch aus England und Amerika kommen, wäre dieses Modell auch als doppelte Begegnungsschule (mit GB, Irland) denkbar. Das Ambiente, die Bibliothek usw. setzen ihre Schwerpunkte bei Ungarisch und Deutsch, ggf. Britisch. Lehrkräfte und alle notwendigen Einrichtungen sind im Gegensatz zu den neuen Standorten in Deutschland schon vorhanden.

 

Ergänzend zu diesem Modell: Jetzt schon werden Sprachkurse in Deutsch von derzeit vier Wochen angeboten. Der Zuspruch übersteigt die Kapazitäten. Trotzdem darf die Schule in Kastl natürlich nicht zu einer Sprachschule verkommen. Diese Einrichtung könnte man aber zeitlich auf 1 ganzes (freiwilliges) Jahr zur in Ungarn erworbenen Hochschulreife anbieten. Sicher gibt es in Ungarn Eltern, die es sich leisten können und Schüler, die motiviert genug sind, auf diese Weise vor dem Studium Deutsch zu lernen. Vielleicht zwischen Mittelstufe und Oberstufe wäre ein Jahr lang etwa zwanzig Wochenstunden Deutsch angesagt, Mathe und die anderen Fächer würden nur zum "Warmhalten" mit reduziertem Stundenmaß unterrichtet.

Begleitprojekte kultureller und berufsbildender Art (Betriebspraktika) könnten in der Region Amberg-Sulzbach stattfinden.

 

Die Schule in Kastl hat unter diesem Aspekt eine echte Chance zum Fortbestand. Das ungarische Kultusministerium wünscht unseres Wissens eine Begegnungsschule und ein Mitgestalten am Lehrplan. Am 13. Juni 1997 wird beim Generalkonsul, Herrn Püspök in München der ungarische Außenminister empfangen. Organisiert wird dies durch die jungen Europäer in der Europaunion anlässlich des Europatages. Verantwortlich bei den Jungen Europäern der Europaunion ist ein Herr Otto Hieber. Vertreter unserer Schule werden dabei sein.

Herr Püspök ist Sozialist, steht der Schule in Kastl trotz ihrer ursprünglich konservativen Prägung, wohlwollend gegenüber. Positive Erfahrungen sammelte er auch, als er für einen geschichtlichen Ritt ungarischer Reiter durch Bayern verantwortlich zeichnete und in Kastl vorbildlich unterstützt wurde.

Nach o.g. Empfang beim Konsul findet angeblich ein Treffen des Außenministers, Herrn Kovács, mit dem Herrn Ministerpräsidenten statt. Dem Ministerpräsidenten war Kastl im Zusammenhang mit den Ungarn zumindest nicht völlig fremd. Kastl ist seit seinem Aufenthalt im Hotel Forsthof ebenfalls ein Begriff.

Vorgehen:

Wichtigstes und zeitlich drängendstes Anliegen wäre, die vom Bundesinnenministerium angestrebte Abwicklung zu stoppen. Die notwendige Anstellung einiger Lehrer muss für das kommende Schuljahr (1997/96) gestattet werden. Die Bildung einer neuen 5. Klasse muss ebenfalls genehmigt werden.

Danach müssen wir von Kastler Seite her und über jeden willkommenen Kontakt versuchen, die Diözese Eichstätt (der neue Bischof ist ein Schulmann - Gymnasiallehrer) von der weiteren Beteiligung an der Finanzierung zu überzeugen. Schließlich müsste im Kultusministerium in München weiterhin die Bereitschaft bestehen, ähnlich wie jetzt - ganz neu - zwischen dem Bundesland Sachsen und Tschechien, mit dem Ungarischen Staat einen Vertrag zur Begegnungsschule zu schließen. Die Mittel nach dem Bay. Schulfinanzierungsgesetz - zumindest wie bisher - vorausgesetzt. Bei unserem Modell ginge es um bilingualen Unterricht mit den Schwerpunkten ungarisch und ggf. Englisch.

Inwieweit der Freistaat sich beim Bund wieder refinanzieren kann - nachdem ja unser Herr Bundeskanzler dem ungarischen Volk im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung sehr zu Dank verpflichtet ist - müsste eroiert werden.

Vielen Dank heute schon für Deine Unterstützung. Ich hoffe, du verstehst meine Sorge, dass der nächste Konflikt in Europas Umgebung für Kastl die große Wahrscheinlichkeit beinhalten würde, nach Abzug der Ungarn ein Flüchtlingslager

 

Internetseiten zum Europäischen Gymnasium Kastl

 

zu erhalten - keine hoffnungsfrohe Aussicht für eine Gemeinde, die wegen ihres landschaftlichen Reizes für Tourismus wirbt und ohnehin Probleme genug hat. Ein Blick in die Internetpräsentation "www.kastl.de" überzeugt sicher auch Zweifler.

 

http://www.kastl.de/schulen.htm

Darstellung des Gymnasiums in kastl.de

Für ein Gespräch mit dir wären Herr Kurin, der Schulleiter, und ich sehr dankbar. Anfahrt auch nach Bonn selbstverständlich möglich, vielleicht unter Hinzuziehung eines "Förderspezialisten" zu EU-Mitteln.

 

Mit freundlichen Grüßen

 


 

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