An den Staatsminister für Bildung und Kultur
Herrn Dr. Michael Naumann
Betreff: Europäisch-ungarisches Gymnasium in Kastl/OPf
Sehr geehrter Herr Dr. Naumann !
Als Belegschaft des Europäisch-ungarischen Gymnasium und als
Lokalpolitiker des Marktes Kastl bitten wir Sie, dass unsere Schule mit Ihrer
Unterstützung am bisherigen Standort erhalten werden kann. Diesbezüglich waren große
Hoffnungen mit dem Regierungswechsel im September 98 verbunden.
Die Zuständigkeit für diese Schule haben Sie durch
Kompetenzverlagerungen von dem ehemaligen Innenminister Kanther "geerbt". Herr
Kanther hat die Schule immer als Exilgymnasium begriffen, das mit der Wende 1989 seine
Existenzberechtigung verloren hätte.
Wir waren von Herrn Kanther sehr enttäuscht, weil er nicht zur
Kenntnis nehmen wollte, dass sich die Schule den veränderten Anforderungen gestellt hat
und seit 1993 Europäisch-ungarisches Gymnasium im Rahmen des europäischen
Schulmodells ist, - offen für deutsche und Schüler anderer Nationen.
In einem Brief vom 15.12.1998 erkennen Sie an, dass die Ihnen
zugegangenen Ideen und Schulkonzepte "diskussionswürdige Ansätze für den Wandel
von einer Exilschule zu einem Gymnasium mit neuer Zielsetzung" enthielten. Nach wie
vor deuten aber Reaktionen aus Ihrem Hause darauf hin, dass Sie wie Ihr Vorgänger Kanther
die institutionelle Förderung unserer Schule zum Jahr 2000 einstellen wollen. Dies würde
das Aus für eine Einrichtung bedeuten, die seit vierzig Jahren die kulturelle Atmosphäre
in Kastl prägt.
Wir hoffen nach wie vor darauf, dass Sie sich unter folgenden
Prämissen zu einer anderen Sicht bezüglich der Perspektiven dieser Schule entschließen:
- Der Schultyp Europäisches Gymnasium wurde in den letzten 1 0
Jahren ausdrücklich in
Hinblick auf das Zusammenwachsen Europas entwickelt.
- Die Erweiterung der EU durch Ungarn und andere mittel - und
osteuropäische Staaten ist politischer Wille aller Beteiligten und nur eine Frage der
Zeit.
- Die Ergänzung des bisher an Westeuropa orientierten Schultyps durch
einen mittel - bzw. osteuropäischen ist somit eine logische Folge aus dem Schultyp und
der avisierten Osterweiterung der EU .
- Es wäre schwer nachvollziehbar, in Kastl eine Einrichtung zugrunde
gehen zu lassen, die für diese Perspektive personell und institutionell bestens gerüstet
ist und die man später mit viel größerem Aufwand wieder einrichten müsste.
Unsere Hoffnung ist nach wie vor, dass die neue Bundesregierung ihr
zentrales Anliegen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit als ressortübergreifende
Aufgabe versteht. Beispielhaft solches Politikverständnis zeigt u.E. Herr Rudolf
Scharping. Ehemals als SPD-Frak-tionsvorsitzender Adressat unserer Petition, hat er auch
in seiner neuen Funktion als Bundesverteidigungsminister sein Interesse am Fortbestand der
Schule deutlich gemacht.
Wir hoffen weiterhin, dass Sie die Kombination aller mit dem Erhalt und
der geplanten Weiterentwicklung der bisherigen Nutzung verbundenen Optionen
- deutsch-ungarische Begegnungsschule -
- Ausbau zu einem deutsch-ungarischen Bildungszentrum, wie es von
ungarischer Seite gewünscht wird -
- Erhaltung von 70 für die strukturarme Region Kastl wichtigen Arbeitsplätzen -
- damit verbunden die Erhaltung von 2,5, Millionen Kaufkraft für die Region -
- sinnvolle Nutzung einer schon aus Gründen des Denkmalschutzes unbedingt zu
erhaltenden historischen Klosteranlage -
als mit den Zielen Ihrer Kulturpolitik kompatibel betrachten.
Die Aufgabe der bisherigen institutionellen Förderung durch den Bund
würde dagegen bedeuten:
Die von der ungarischen Regierung zugesagte Förderung würde
ausgeschlagen und ginge auch als Kaufkraft verloren. Dazu kämen die Kosten der
Arbeitslosigkeit; zudem herrscht komplette Ratlosigkeit, was mit den Gebäuden der
historisch-kulturell wertvollen Klosterburg geschehen könnte. Umbaumaßnahmen für eine
wie auch immer geartete andere Nutzung würden die Folgekosten der vergleichsweise
minimalen Einsparung in Ihrem Ressort ins Unabsehbare eskalieren lassen.
Willy Brandt hat gesagt: Es ist besser, Arbeit zu finanzieren als
Arbeitslosigkeit. In unserem Fall wäre hinzuzufügen: es ist auch billiger: Die
Kosten der neu produzierten siebzig Arbeitslosen - der Schule als Förderung zur
Verfügung gestellt - wurden ihren Fortbestand problemlos sichern : 70 x - willkürlich
niedrig zugrunde gelegt - 2000 . - DM "Stütze" x 12
= 1 680 000 DM. Der bisherige Bundeszuschuss beträgt 1, 6 Millionen. DM p.a. ... In der
Rechnung wäre zugunsten einer weiteren Förderung noch zu berücksichtigen, dass die
nicht verbeamtete Belegschaft als Arbeitslose keine Steuern mehr bezahlen könnte.
Wir bitten Sie, die Ressortbefangenheit Ihres Vorgängers zu
überschreiten. Die Fortsetzung der institutionellen Förderung durch Ihr Haus wurde in
der Region sicherlich als ein Signal für eine wirkliche Wende verstanden. Sie wäre auch
ein Signal für viele Ungarn, in Europa erwünscht und angekommen zu sein. Vergessen wir
auch nicht, dass das wiedervereinte Deutschland maßgeblich über Ungarn zusammengekommen
ist.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Für die Belegschaft
Für den Markt Kastl
Bernhard Raum
Neumarkter Straße 11
92280 Kastl |