Sie haben John nicht
gekannt? OK! Ich hatte ihn ja selber erst vor ein paar Jahren kennen
gelernt. Ich nahm ihn zur Kenntnis als den Lebenspartner einer Freundin
meiner Frau. Er redete viel. Er redete unendlich viel – jedenfalls nach
dem Geschmack aller Menschen, die ich kenne, die ihn auch kannten. Anfangs
nahm ich es in Kauf, weil das alleinstehende Herrenhaus eines ehemaligen
Landgutes, oben auf einem Berg in den Marken, das der Mutter seines jüngsten
Kindes gehörte, mir als exklusiver Stellplatz für das Wohnmobil dienen
sollte. Strom und Wasser war da, mehr brauchte ich nicht. Er redete verdammt viel! Er redete aber keinen
Unsinn. Nichts von dem, was er sagte, war gedankenlos. Alles, was aus ihm
heraussprudelte, muss ihn irgendwann zuvor schon einmal intensiv beschäftigt
haben, hatte eine wohlüberlegte Basis. Ja – man konnte von ihm lernen.
Die Frage war nur, ob man gerade zum Lernen aufgelegt war, wenn er
referierte. John war nicht nur
intelligent, sondern auch von stattlicher und kräftiger Statur,
vermutlich seit Kindertagen. Davon hat er wohl profitiert. Geschlagen und
getreten hat man ihn wohl eher weniger. Es wäre dem Aggressor schlecht
bekommen. Doch war er selber äußerst friedliebend und sozial. Drum hatten
schon die Padres im Oberpfälzer Kinderheim gerne sehr Schwache mit potentieller
Opferrolle zu ihm ins Zimmer gegeben. Diese Ärmsten der Armen genossen
damals also seinen Schutz. Das prägte wohl auch sein Selbstbewusstsein schon früh.
Er musste also nicht die Nähe von Stärkeren suchen. Die wenigsten vom
Kinderheim haben es, so wie er, aufs Gymnasium geschafft. Als uneheliches
Kind einer im Nachkriegsdeutland lebenden Italienerin, gezeugt von einem
amerikanischen Soldaten, war er von klein an gewohnt, nur seine Kleidung am
Leib zu
besitzen und hatte lernen müssen, sich nicht durch materielle Werte, dem
Haben, zu definieren. Besitztümer und Werte solcher Menschen befinden
sich im Kopf. Vielleicht müssen sie, wenn sie dies zeigen wollen, reden. Man könnte
wohl auch schreiben! Doch das würde Aufwand bedeuten. Davon wollte er nicht
mehr als nötig. Lieber war es ihm zu reden. Drum war John wohl auch früh
für die GRÜNEN in den Bundestag gekommen. Doch das war zu einer Zeit,
als die noch eifrig ihrem Urprinzip folgten und rotierten. Drum hielt er
sich zuletzt mit Jobs über Wasser. Ein paar Menschen gab es immer, die
ihn brauchen konnten. Er war sich für nichts zu schade und hatte
handwerklich praktische Fähigkeiten. Seine erste eigene Firma ging drauf.
War´s die Scheidung oder etwas anderes, egal! John hatte es genommen, wie
es war. Ein Großteil seiner Energie schenkte er seiner kleinen Tochter
aus der letzten Partnerschaft.
Ihr wollte er möglichst viel mitgeben - geistiges Eigentum und
Selbstbewusstsein. Bei den letzten gemeinsamen Treffen saßen wir oft nur zu zweit im „Rektorat“ beieinander. Wir redeten kaum, saßen nur da und schauten über die herrliche Landschaft zu den Monte Sibillini bis hinter zum Gran Sasso oder nachts hinüber zu den Lichtern von Ripatransone. Nein - es war nichts passiert und es war auch nicht so, dass John nichts mehr zu erzählen gewusst hätte. Es war mein unausgesprochener Wunsch und John hatte ihn respektiert. Deshalb war ihm wohl auch der „besitzanzeigende“ Begriff „Rektorat“ eingefallen, mit dem er die unästhetische Mini-Garage bezeichnete, die ein Vorbesitzer – statt aus Brettern - mit Mörtel und einer viel zu dünnen Betonplatte „zusammengenagelt“ hatte und die nun wohl schon seit Jahrzehnten die herrliche Fassade des Gutshauses verschandelt. Diese unattraktivste Räumlichkeit hatte ich mir aber als Rückzugsraum stillschweigend ausgeguckt. Er besuchte mich gern und oft im Rektorat und akzeptierte nicht nur, sondern genoss es, dass dort nicht so viel geredet wurde. Vor etwa einem halben
Jahr hatte er mich am Handy angerufen. Wollte mal wieder mit mir ratschen.
Ich war auf dem Weg zu einer Dienstbesprechung, die in zwei Minuten
beginnen sollte. Nein – zwei Minuten würden wohl nicht reichen für das
Gespräch mit John. Drum sagte ich, er solle mich bitte am Nachmittag noch
mal kontaktieren. „Nein, das wird nix!“, sagte er. „Ich bin auf dem
Weg nach Italien! Ein andermal!“. Er hat nicht mehr angerufen. Seine
jüngste Adresse in Ingolstadt kannte ich nicht, auch nicht die Nummer -
hätte ich doch die wenigstens notiert! Erst vor
ein paar Tagen musste ich an ihn denken. „Er ist gestorben. Herzinfarkt!“ hat eine andere Freundin meiner Frau eben im Telefonat erklärt. Seine Ex hat mich nicht informiert. Ich wäre ihm gerne auf die Beerdigung am letzten Montag gegangen, hätte gerne mit Leuten, die ihn mochten, geredet. Trauer und Wut! Und ich wundere mich nicht, warum mir sein Tod so nahe geht, trotz der eigentlich nur sehr wenigen Zeit meines Lebens, die ich mit ihm verbracht habe. So long - John! Und danke für die schönen Stunden! Für John Heiker am |
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Für John Traurig, zu wissen, dich nicht wiederzusehen. Traurig, nicht Abschied nehmen zu können. Ich erinnere mich noch genau an den Augenblick, als ich dich zum ersten Mal traf. Wir hatten eine scheinbar endlose Fahrt hinter uns, kamen völlig ermüdet und gerädert in Montefiore an. Eine kleine Gruppe saß beisammen am Frühstückstisch und ich sah dich aus der großen Tür des Hauses, ebenso groß, heraustreten. Nach Heinz´ Erzählungen wusste ich gleich: Das ist John ... und da ergoss sich auch schon ohne Vorankündigung ein Redeschwall über uns. Wir erfuhren geschichtliche Einzelheiten über jedes Städtchen und Dörfchen in der näheren Umgebung, hörten Anekdoten über hier lebende Menschen, Begebenheiten, den Ziegenbock und nicht zu vergessen Padre Pio. Meine gute Erziehung verbot es mir während der ersten 3 Tage, dich zu bitten, mir nicht zum wiederholten Male die selbe Geschichte zu erzählen. Am Abend des 4. Tages ist es mir dann rausgerutscht: "John, bitte halt jetzt mal kurz die Klappe". Du hast mich angeschaut, gelacht und gesagt "ok". Den restlichen Abend haben wir uns, bei einer Flasche dieses unsäglichen Lemonlikörs, prima unterhalten. Durch den Briefkontakt unserer Töchter, sind auch wir in Kontakt geblieben. Besonders durch einige Sätze in Briefen deiner Tochter, die eindeutig deine Handschrift trugen:" Habe mir ´nen Wolf zum Briefkasten gelaufen" Hin und wieder haben wir telefoniert, was Gottseidank auf deine Rechnung ging. Wir wollten uns gegenseitig besuchen, was wir leider nie getan haben. Das Leben ist manchmal zu kurz und wenn es lang genug ist, vergisst man oft das Wichtigste: Familie, Freundschaft und vor allem Liebe. Ich glaube, du hattest von allem genug zu geben. Ich hoffe, du hast von allem ausreichend bekommen. Danke für die schöne Zeit in Italien. Ulli |