Heinz Lang, Kastler Illustrierte  - Anfang Ausgabe Mai 2002- 2  Navigation zur homepage von Heinz Lang, Kastl - header

aktueller Artikel aus der SZ vom 29.05.02:
und Leserbrief dazu von Bernhard Raum


Begegnung mit Hindernissen

Um das Europäisch-Ungarische Gymnasium Kastl gibt es Streit

 

Kastl - Ein erbitterter Streit um das Schulprofil erschüttert das einzigartige Europäisch-Ungarische Gymnasium in der oberpfälzischen Marktgemeinde Kastl. Die im Jahr 1958 für die Kinder von Exil- Ungarn gegründete Privatschule mit angeschlossenem Internat wird nach dem Rückzug des Bundes aus der Finanzierung von einer Gesellschaft getragen, an der neben dem Ungarischen Schulverein (USV) - mit 50 Prozent der Anteile - der Landkreis Amberg-Sulzbach, die Marktgemeinde Kastl und die Diözese Eichstätt mit jeweils 16,6 Prozent beteiligt sind. Angehörige des Lehrerkollegiums verfolgen mit Unterstützung des Landkreises, der Gemeinde und der Diözese das Ziel einer "europäischen Begegnungsschule" für die aus allen Teilen der Welt stammenden 185 Schüler. Neben der traditionellen Unterrichtssprache Ungarisch solle als gleichberechtigte Sprache Deutsch eingeführt werden. Dem widersetzt sich aber der USV. Dessen Vorsitzender, der Münchner Mediziner Andreas Szabados, verweist darauf, dass an der Schule trotz aller Bereitschaft zum mehrsprachigen Unterricht "die ungarische Sprache dominant" bleiben und das Gymnasium als "Eliteschule" mit ungarisch-christlicher Ausrichtung erhalten bleiben müsse. Dies jedoch werteten drei Lehrer in einem Brief an das Kultusministerium als Versuch einer "Rekonstruktion des überholten ungarischen Gymnasiums als Auslandsschule für Nachfahren der Exilanten".

Inzwischen geht die Auseinandersetzung über einen inhaltlichen Richtungsstreit hinaus: Die vom USV abgelehnte Schulleiterin wurde erst ab- und dann wieder eingesetzt. Nach einem Streit um die Besetzung der Geschäftsführung musste das Amberger Amtsgericht einen Rechtsanwalt als Not- Geschäftsführer bestimmen, es kam zu einer Demonstration gegen den Schulverein, und inzwischen sind sich die streitenden Parteien nur noch darin einig, dass die Lage heillos verfahren sei. Dies liegt daran, dass weder der von rund 30 Mitgliedern getragene Ungarische Schulverein noch die an einem Strang ziehenden anderen Gesellschafter die absolute Mehrheit in der Schul- Gesellschaft haben und somit klärende Entscheidungen bislang an einer Patt- Situation scheiterten. Jetzt wird von den gegnerischen Parteien heftig darüber debattiert, ob die Republik Ungarn an dem Kastler Gymnasium beteiligt werden und dadurch die gegenseitige Blockade der Gesellschafter beseitigt werden soll. Ein Alternativmodell geht von einem Ausscheiden der Diözese Eichstätt aus, wodurch der USV die Mehrheit in der Gesellschaft erhielte. Der Schulverein, so Szabados, werde in jedem Fall alles daran setzen, die Geschicke der Schule künftig "ohne das Dreinreden von Politikern"zu leiten.

Rolf Thym

Bernhard Raum                                                Kastl, 29.5.02
Neumarkter Str.11
92280 Kastl

An die Leserbriefredaktion
der Süddeutschen Zeitung

Zu:

"Begegnung mit Hindernissen"

Dem ansonsten recht informativen Bericht über die momentan schwierige "Begegnung" am Europäisch-ungarischen Gymnasium in Kastl ist noch hinzuzufügen: Es handelt sich keineswegs um eine ungarisch/deutsche Auseinandersetzung, wie es die sachlich korrekte Darstellung -hier Ungarischer Schulverein, dort die drei deutschen Gesellschafter Markt Kastl, Landkreis Amberg-Sulzbach und Diözese Eichstätt - nahelegen könnte. Mit nichten, denn hinter den letzteren und auf deren Seite steht auch der ungarische Staat, der als wichtigster Zukunftspartner seine Bereitschaft erkärt hat, in das Projekt "Begegnungsschule" einzusteigen. Es ist der derzeitige Vorstand des ungarischen Schulvereins, der demokratisch gewählten Repräsentanten seines Herkunftslandes den Eintritt in die Schul-gGmbH verweigert.

So ist der Verantwortliche für die groteske Situation genau zu benennen: Der Vorstand eines Vereins von 25 Mitgliedern möchte eine "Eliteschule" mit "christlicher Ausrichtung", aber ohne die Diözese Eichstätt, ein "Ungarisches Gymnasium", aber ohne Ungarn, eine Privatschule "ohne das Dreinreden von Politikern", aber mit kräftiger finanzieller finanzieller Förderung des ungarischen und bayerischen Staats.

Gerade wenn man die ungarische Prägung des Kastler Gymnasiums sinnvoll in die Zukunft bewahren will, gilt es zu bedenken: Ein ungarisches Sprachghetto ist gerade für Kinder aus Ungarn völlig uninteressant. Das haben sie zu Hause auch und dazu viel billiger. Umgekehrt wäre das Gymnasium in Kastl längst tot, wenn es die ungarische Prägung nicht gäbe und weiterzuführen gälte. Der Landkreis ist völlig ausreichend mit deutschen Schulen versorgt. Aber es gibt auch für deutsche Eltern hinreichend Gründe, ihren Kindern eine hier nicht alltägliche sprachliche und kulterelle Kompetenz zukommen zu lassen, die sie später in der beruflichen Konkurrenz auszeichnet.

Es ist die nahe Perspektive des Beitritts Ungarns zur EU, aus der sich ein neuer, sinnstiftender Begründungszusammenhang für das ehemalige ungarische Exil-Gymnasium ergibt. Diese Perspektive hat viele Freunde und institutionelle Unterstützung gefunden. Der USV -Vorstand hat sie bald allesamt verprellt.

Erst im November letzten Jahres haben sich die Ministerpräsidenten beider Länder für den Erhalt des ungarischen Gymnasiums als "Symbiose des bayerischen und ungarischen Bildungswesens" ausgesprochen. Der momentane Konflikt um diese an sich reizvolle Schule scheint nur noch durch ein Machtwort von höchster Stelle lösbar. Es müsste schnell kommen, sonst ist es zu spät.

Bernhard Raum
Lehrer am EUG


                                                                         Alles zum Thema